Ein Exkurs in die türkische Geschichte Teil IV

Sitten und Gebräuche sowie Erfahrungen im Umgang mit den Menschen in der Türkei.
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Levent
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Ein Exkurs in die türkische Geschichte Teil IV

Beitrag von Levent »

Nach dem die Millitärs 1980 geputscht hatten, gingen sie heftig gegen die linke Opposition im Lande vor, viele wanderten ins Gefängnis und wurden gefoltert.

Aber auch viele verschwanden ins Exil, einigen wurde die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt.

Nach der Säuberungsaktion entwarf die Junta eine neue Verfassung.
1983 gewann die ANAP, eine konservative Partei, die ersten demokratischen Wahlen in der Türkei.

Die Achtziger Jahre wurden zum grösstenteil von dieser Partei bestimmt, welche die Wirtschaft ankurbelte; Kleinbauern und Binnenimmigranten gehörten zu den Verlierern der wirtschaftlichen Reform.

Auch 1987 gewann die Anap unter Turgut Özal wieder die Wahlen, sukzessive wurden in verschiedenen Provinzen das Kriegsrecht aufgehoben.


1984 begann die PKK ihren bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan. Bis 1999 sollten bei diesem Krieg zwischen dem türkischem Militär und den PKK-Kämpfern 30.000 Menschen ums Leben kommen.

Die 90er-Jahre waren in der Türkei wieder durch wechselnde politische Mehrheiten und ständige Neuwahlen gekennzeichnet. 1991 wurde die DYP bei den Wahlen zur stärksten Kraft gewählt, die ANAP und die SHP kamen auf den zweiten und dritten Platz. Die SHP war zuvor ein Wahlbündnis mit der kurdischen Volksarbeiterpartei HEP (Halkın Emek Partisi) eingegangen. Die HEP stellte nun, innerhalb der Fraktion der SHP, 22 Abgeordnete im türkischen Parlament. Süleyman Demirel ging mit der SHP eine Koalition ein.

Am 17. April 1993 starb Turgut Özal an einem Herzinfarkt. Nach seinem Tod wurde Demirel am 16. Mai 1993 zum Staatspräsidenten gewählt. Als Ministerpräsident folgte ihm Tansu Çiller als Parteichefin der DYP. Sie führte auch die Regierungskoalition mit der SHP weiter.

Özal hatte als Staatspräsident noch versucht, das "Kurdenproblem" politisch zu lösen. Der Staat und die PKK näherten sich unter seiner Regentschaft an und es keimte die Hoffnung einer friedlichen Lösung auf. Nach der Übernahme des Ministerpräsidenten Amtes durch Tansu Çiller radikalisierte sich der Konflikt weiter. Der Staat lehnte mehrere Waffenstillstandsangebote der PKK wiederholt ab.

Bis 1994 wurden durch das Militär ca. 2000 Dörfer im Südosten der Türkei gewaltsam geräumt. Die Bevölkerung wurde gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Durch diese Maßnahmen wollte die Regierung die Unterstützungsbasen der PKK zerstören. Die PKK wiederum ging brutal gegen Dörfer vor, die mit dem türkischen Militär zusammenarbeiteten, und verübte Terroranschläge bei denen viele Soldaten und Zivilisten umkamen.

Bei Kommunalwahlen 1994 gewann die islamistische Partei RP (Refah Partisi) beide Bürgermeisterwahlen in den zwei grossen Städten, in Istanbul und in Ankara.
Aus den Parlamentswahlen am 24. Dezember 1995 ging zum ersten Mal in der türkischen Geschichte eine islamistische Partei mit 21,38 %, die Wohlfahrtspartei (RP), als stärkste politische Kraft hervor.


Im Sommer 96 wird die RP mit der Bildung einer Regierung beauftragt und geht mit der DYP eine Koalition ein.Mit seiner Politik geriet Necmettin Erbakan in Widerspruch zu der von Kemal Atatürk begründeten laizistischen Staatsdoktrin, als deren Stützen sich vor allem die Militärs sahen. Unüblich für einen Ministerpräsidenten statete er Libyen den ersten Staatsbesuch ab. Erbakan wollte damit seine außenpolitische Neuorientierung, hin zu den islamischen Ländern, demonstrieren. Diese und andere islamisch orientierte Aktivitäten stießen das kemalistische Establishment vor den Kopf.

Im Nationalen Sicherheitsrat forderten die Generäle von Erbakan ein entschiedenes Vorgehen gegen islamistische Tendenzen, die Verlängerung der Schulpflicht auf 8 Jahre und die konsequente Einhaltung des Kopftuchverbotes in den Schulen und Universitäten des Landes. Mit der verlängerten Schulpflicht wollten die Militärs dem Einfluss der Imam Hatip- Schulen, in der Prediger und Vorbeter ausgebildet wurden, entgegen wirken. Am 30. Juni 1997 musste Neçmettin Erbakan, weil er diese Politik nicht umsetzen konnte, zurücktreten. Am 16. Januar 1998 wurde die RP vom Verfassungsgericht verboten, an ihre Stelle trat die Tugendpartei FP (Fazilet Partisi).

Nach einer kurzen Regierungsphase (Juni 1997 - November 1998) von Mesut Yılmaz wurde ihm wegen Korruptionsverdacht das Misstrauen ausgesprochen. Am 11. Januar 1999 wurde Ecevit Regierungschef einer Minderheitsregierung. Aus den Neuwahlen vom 18. April 1999 ging Ecevits DSP als stärkste Fraktion heraus. Zweitstärkste Kraft wurden die Nationalisten (MHP). Den dritten Platz nahm die FP ein, die ehemaligen Volksparteien ANAP und DYP waren nun viert und fünftstärkste Partei.


Im August 1996 beendete das Parlament den Ausnahmezustand in den Kurdenprovinzen, erteilte der Armeeführung jedoch erweiterte Vollmachten bezüglich militärischer Einsätze, Verhaftungen und Zensur in allen Provinzen des Landes. Ein Waffenstillstandsangebot der PKK lehnte die türkische Armeeführung im Januar 1997 ab; am 14. Mai 1997 drangen türkische Verbände bis zu 200 km in die Kurdengebiete im Nordirak ein. Am 16. Februar 1998 spürten Agenten des türkischen Geheimdienstes Abdullah Öcalan, Führer der kurdischen PKK, in Kenia auf und brachten ihn in die Türkei. Nachdem der Vorsitzende gefasst wurde, erklärte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand, der bis 2004 dauerte.

Ecevit gründete am 9. Juni 1999 eine Koalitionsregierung mit der MHP und der ANAP. Im August 1999 hob die Regierung Ecevit das zwischenzeitig verhängte Politikverbot gegen Erbakan auf, um die Zustimmung seiner Fraktion zu einer Verfassungsreform zu erhalten und darüber internationale Kredite über den Internationalen Währungsfonds zu erlangen. Als Nachfolger von Demirel wurde 2000 als Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer gewählt.

Mitte 2000 wurden bei Wirtschaftsprüfungen bei mehreren Banken massive Manipulationen wie Steuerhinterziehung und Veruntreuung entdeckt, was zu einem Börsencrash führte. Die eingeleitete staatliche Kontrolle der Banken konnte die Kapitalflucht aber nicht bremsen.

Querelen zwischen Staats- und Ministerpräsidenten über Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption führten im Frühjahr 2001 erneut zu einer massiven Abwertung der türkischen Lira. Massenproteste und polizeiliche Repressionen dagegen waren die Folge.

Die Wirtschaftskrise von 2001 verursachte einen Rückgang des Bruttosozialprodukts von fast 10 %. Der Staat stand kurz vor dem Bankrott und konnte nur durch Kredite des Internationaler Währungsfonds zahlungsfähig gehalten werden. Zur Unterstützung der Wirtschaftspolitik holte Ecevit Kemal Derviş in sein Kabinett. Derviş wurde für diese Aufgabe aus Washington (D.C.) abgerufen, wo er das Amt des stellvertretenden Weltbank-Chefs innehatte. Als neuer Wirtschaftsminister führte Kemal Derviş wichtige Reformen im Bankensektor durch und ging gegen die Korruption vor. Die Reformen unter Derviş bildeten die Grundlage für die schnelle Erholung der türkischen Wirtschaft von der die AKP-Regierung seit 2002 profitiert.

Am 3. November 2003 übernahm die AKP die Macht, welches sie bis heute innehat.
Sekerim
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Beitrag von Sekerim »

Danke Cengiz abi,

für die 4 Teilige Exkursion in die Türkische Geschichte! :halkis

Hab mit viel Interesse gelesen und hätt jetzt noch eine Frage.
Am 16. Februar 1998 spürten Agenten des türkischen Geheimdienstes Abdullah Öcalan, Führer der kurdischen PKK, in Kenia auf und brachten ihn in die Türkei. Nachdem der Vorsitzende gefasst wurde, erklärte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand, der bis 2004 dauerte.
Ich kriege zwar Nachrichten mit etc. aber kannst du mir vllt noch einmal genauer erklären wie das nach 2004 dann wieder anfing bzw weiter ging?
Auch heute noch sterben ja viele Soldaten (Tunceli etc.)... :(


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Levent
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Beitrag von Levent »

Hi Sekerim,


yep kann ich erledigen.. muss da nochmal genauer in den Weiten des Internets rumwühlen wie die Entwicklung nach 2004 verlaufen ist...
Sekerim
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Beitrag von Sekerim »

oh danke Abi für deine Mühe,

vor allem Interessiert mich, was gerade in Tunceli los,
mit der PKK etc. :bilmem
Hab auch selber etwas gesucht...bin aber nicht richtig schlau draus geworden...

Lg Sekerim :knuddel
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