Reisebericht - Eine unvergessliche Woche ...

Hier könnt ihr über eure schönste Zeit des Jahres berichten.
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Sanicik

Reisebericht - Eine unvergessliche Woche ...

Beitrag von Sanicik »

Hallo Ihr Lieben,

wir Ihr seht, bin ich wieder wohlbehalten in „good old Germany“ gelandet und bin - zumindest körperlich – wieder anwesend.

Ja, eigentlich wollte ich gar nicht mehr zurück kommen und eigentlich wollte meine Familie mich auch gar nicht mehr ziehen lassen. Ihr habt richtig gelesen: „meine Familie“, aber ich werde von Anfang an erzählen – aber ich muss Euch vorwarnen, es wird eine sehr lange Geschichte, obwohl ich ja nur eine Woche weg war:

Sonntag - 19. Februar

Ich checkte am 19.2. planmäßig am Flughafen Düsseldorf ein und befand mich schneller im Flieger Richtung Istanbul als ich gucken konnte. Ja, Istanbul! Da Direktflüge nach Ankara kaum zu bekommen sind, musste ich also erst mal nach Istanbul und von dort weiter nach Ankara.

Wäre auch gar kein Problem, wenn ich von vorneherein gewusst hätte, wie es in Istanbul weitergeht, aber ich wusste weder, wann der Anschlussflug nach Ankara ging, noch hatte ich die Flugunterlagen in der Hand . . .

Ich flog also aufs Geratewohl Richtung Istanbul ohne zu wissen, was mich dort erwartet. „Baba“ hatte mir nur immer wieder gesagt, dass ich mir überhaupt keine Gedanken machen müsste, er würde alles regeln und ich würde ganz bestimmt ohne Probleme bei ihnen ankommen. Was blieb mir also anderes übrig, als ihm zu vertrauen?

Während des dreistündigen Fluges machte ich mir aber doch so meine Gedanken und konnte den schönen Flug gar nicht genießen – eigentlich liebe ich es zu fliegen! Als der Flieger um kurz nach 19.00 Uhr in Istanbul aufsetzte, lagen meine Nerven blank und ich hatte mir alle möglichen und unmöglichen Szenarien ausgemalt.

Aber lange Rede, kurzer Sinn: es war wirklich alles geregelt! Ich kam durch die Zollabfertigung und sah auch schon von weitem jemanden ein Schild halten, auf dem mein Name und dahinter „Ankara?“ stand. Was für eine Frage, natürlich wollte ich nach Ankara!

Ich steuerte also auf den „Schildträger“ zu und gab mich zu erkennen. Zu mehr kam ich schon nicht mehr, da er mir nur zurief: „Haydi çabuk!“ und losrannte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihm mit all meinem Gepäck so schnell wie möglich zu folgen. Wir rasten also durch den Flughafen, er drückte mir vor einem Schalter meine Flugunterlagen in die Hand und war schon wieder weg. Ich kam noch nicht einmal dazu, ihm zu danken oder sonst ein paar Worte zu wechseln.

Also checkte ich ein und dann hatte ich noch eine Stunde, bis der Flieger Richtung Ankara starten sollte.

Um 22.00 Uhr startete der Flieger und ich muss augenblicklich eingeschlafen sein ... von dem Flug bekam ich dementsprechend natürlich rein gar nichts mit. Erst beim Landeanflug wurde ich wieder wach – ich hatte noch nicht einmal den Sicherheitsgurt geöffnet.

Endlich war ich angekommen und nachdem ich mein Gepäck hatte, verließ ich voller Erwartung das Flughafengebäude und sah schon Metin auf mich zueilen.

Obwohl ich ihn vor knapp einem Jahr nur einmal kurz gesehen hatte, erkannte ich ihn sofort wieder und er hatte mich offensichtlich auch erkannt. Wir standen nun voreinander, Emotionen „schwappten“ über mir zusammen (und ihm ging es anscheinend auch nicht anders), ich sah schon die Tränen in seinen Augen stehen, sprechen konnten wir beide nicht ... er nahm meine Hände, küsste sie und führte sie dann zu seiner Stirn – bei dieser Ehrerbietung konnte ich meine Tränen nicht mehr halten. Als er dann noch „Ablam, darf ich dich umarmen?“ fragte, schmiss ich mich einfach in seine Arme.

Wir klammerten uns regelrecht aneinander und ließen unseren Tränen freien Lauf – und es tat so gut ...

Ich weiß nicht genau, was ich von Metin erwartet hatte – aber damit hatte ich auf gar keinen Fall gerechnet, zumal sich damals zwischen Ateş und Metin einige Differenzen aufgetan hatten durch Ateş’s Beziehung zu mir.

Wir saßen im Auto und es kam eine unglaubliche Ruhe und ein Gefühl von „endlich zuhause“ über mich. Als Metin dann noch zu mir sagte, dass es schön sei, dass ich da wäre, konnte ich mich auch entspannen. Ich war endlich angekommen!

Da ich sehr müde war, verschlief ich die Fahrt, es wäre in der Dunkelheit sowieso nichts zu sehen gewesen. Es muss inzwischen weit nach Mitternacht gewesen sein ...

...

Ich werde eine kurze Pause einlegen und später weiter berichten - aber wie gesagt: vorsicht, es wird sehr lang werden :wink:

Liebe Grüße,

Sandra
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Janett
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Beitrag von Janett »

das macht gaaaaaar nix !!!

das liest sich soooo gut... also egal wie lang das wird, wir sind dabei


lg janett
Daniela
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Beitrag von Daniela »

ich willl lesen....ich will mehr lesen.....ich will viel lesen....UND ich kann fast nicht mehr warten....haaaach echt wie schön, dass Du uns dies alles erzählst....

ich muss Dir ein drücki geben!!! :knuddel

Daniela
Sanicik

Beitrag von Sanicik »

So, weiter geht's ...

Montag - 20. Februar

Ich wurde erst wieder wach, als Metin hielt – ich wusste weder wie lange wir gefahren sind, noch wusste ich wie spät es war und am allerwenigsten wusste ich, wo wir waren.

Als ich aus dem Fenster sah, sah ich .... nichts.

Es war so dunkel, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Weit und breit war noch nicht einmal ein winziges Licht zu sehen.

Metin erklärte mir, dass ich aussteigen sollte, da er den Wagen woanders hinstellen wollte. Ich sollte durch das Törchen in der Mauer gehen und dann würde ich schon das Haus sehen. Törchen? Ich sah noch nicht einmal eine Mauer, geschweige denn ein Törchen und ein Haus schon mal gar nicht.

Aber voller Vertrauen (oder auch nicht) nahm ich mein Handgepäck, wo ja die Süßigkeiten und anderen Kleinigkeiten für die ganze Familie drin waren und stieg „todesmutig“ aus dem Auto.

Und siehe da, als ich das Innenlicht des Autos nun hinter mir hatte, sah ich, dass ich direkt vor einer Mauer stand und das Törchen war auch nicht mehr zu übersehen.

Metin war schon weg, noch bevor ich das Törchen erreicht hatte, also war ich alleine. Ich öffnete also besagtes Tor und sah in einiger Entfernung die schemenhaften Umrisse eines teilweise beleuchteten sehr weitläufigen einstöckigen Hauses und den schmalen Weg zum Haus konnte ich auch gut erkennen. Ebenfalls schemenhaft erkannte ich einige Bäume und die Mauer endete auf beiden Seiten jeweils im Nichts.

Jetzt hatte ich es ja nicht mehr weit zu laufen und würde dann im Warmen sein, es war nämlich auch bitterkalt. Also drehte ich mich um und schloss das Tor hinter mir. Doch als ich mich wieder umdrehte um den Weg Richtung Haus entlang zu marschieren, gefror mir fast das Blut in den Adern und ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen – vor mir stand ca. 180 kg Hund mit insgesamt 12 Pfoten, drei riesigen schwarzen Schädeln (an die Menge der Zähne wollte ich gar nicht denken), drei gut bemuskelten beigen Leibern und einer Schulterhöhe von jeweils mindestens 80 cm.

Es war ja nicht so, dass ich noch nie einen Kangal gesehen hatte, aber so unvorbereitet und so geballt in „freier Wildbahn“ (so kam ich mir auf jeden Fall vor), war schon was anderes als in Deutschland bei „Frauchen“ im Wohnzimmer zum Schoßhund „degeneriert“.

Plötzlich fiel mir ein: das konnten nur Ateş’s „Hundebabys“ sein, die er vor einigen Jahren auf einer Müllkippe gefunden hatte und mit nach hause genommen hatte und dort liebevoll mit einer Flasche „aufgepäppelt“ hatte. Komisch bei seinen Erzählungen von seinen „Babys“ habe ich immer das Bild von drei niedlichen Welpen vor Augen gehabt, die sich an seinen Hosenbeinen festgebissen hatten ... es ist ja auch eine völlig abwegige Vorstellung, dass diese Welpen inzwischen ausgewachsene Kangals sein könnten und zwar drei besonders schöne kräftige Exemplare ...

Mir fielen sogar die Namen ein: Aka, Adaş und Adal, die ich dann auch gleich versuchte, an den Mann bzw. Hund zu bringen. Mit Erfolg – sie kamen nämlich alle drei gleichzeitig auf mich zu und fingen an mich zu umkreisen – wie es sich eben für gute Hütehunde gehört.

Nachdem nun der erste Schock über den Anblick der drei Kolosse langsam verflog, setzte auch wieder mein Verstand ein: Metin hat doch bestimmt gewusst, dass die drei Hunde auf dem Gelände frei rumliefen. Hätte er mich alleine hier gelassen, wenn die drei gefährlich wären? Nein, natürlich nicht (redete ich mir ein)! Also, streckte ich mutig die Hand aus und sprach beruhigend mit den Dreien – obwohl ich wahrscheinlich eher beruhigend zu mir selber sprach, die Drei waren ja die Ruhe selbst.

Und siehe da, es wirkte: einer fing an, die Tasche mit den Geschenken vorsichtig mit den Zähnen zu „untersuchen“; einer knabberte mir freundlich am Hosenbein und der Dritte fing an meine ausgestreckte Hand sabbernderweise abzulecken. Erfreulicherweise fingen sie auch endlich an zu „wedeln“.

Als ich mich nun behutsam Richtung Haus in Bewegung setzte, folgten sie mir dichtauf und zogen immer wieder an meinen Hosenbeinen (unwillkürlich musste ich in mich hineinlachen, als ich mir wieder das Bild von Ateş und den drei Hundebabys an dessen Hosenbeinen vorstellte).

Die Hose habe ich übrigens kurz danach „entsorgt“, sie war nicht mehr zu retten - aber ich war ja froh, dass ich mit dem Leben davon gekommen war, was war da schon eine Hose?

Ich hatte das Haus mit meiner „Eskorte“ fast erreicht, als sich die Tür öffnete und ein großer alter Mann mit fast weißen Haaren trat heraus. Obwohl es unhöflich von mir war, musste ich ihn einfach anstarren – ich sah Ateş vor mir, wie er in 50 Jahren ausgesehen hätte ... er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ...

Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis ich es endlich schaffte, den Blick zu senken – das war ja ein toller Anfang ...

Inzwischen hatte sich der Rest der Familie auch vor der Tür versammelt – offensichtlich um mich zu begrüßen -, meine Befangenheit wuchs immer mehr und ich wollte schon stehen bleiben, als ich sah, dass „Baba“ mir seine offenen Handflächen darbot, so dass ich meine Hände in seine legen konnte (ich war in dem Moment heilfroh, dass ich mir auf dem Weg zum Haus die Hände nach der Begegnung mit den Hunden gesäubert hatte).

Als auch er dann meine Hände küsste, zur Stirn führte und leise sagte: „Kizim, hoş geldin!“ schossen mir wieder – trotz aller Beherrschung – Tränen in die Augen. Wortlos nahm er mich in die Arme und mit meiner Beherrschung war es nun vollends vorbei.

Baba hielt mich ganz fest, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Erst als ich mich vollends gefangen hatte, ließ er mich los und dann brach fast ein Tumult los. Alle redeten nur noch durcheinander und obwohl ich kaum ein Wort verstand, kam soviel Herzlichkeit und Gefühle rüber, dass die Sprachprobleme völlig nebensächlich wurden.

Ich wurde von einem zum anderen „gereicht“, von allen in den Arm genommen und geherzt – als ob wir uns schon alle ewig kennen würden. Zum guten Schluss hatte ich zwei Kinder auf dem Arm und ein drittes zog mich einfach ins Haus.

Wie oft hatte ich mir die erste Begegnung vorgestellt und ausgemalt, wie es wohl werden würde. Ich hatte bestimmt nicht mit Ablehnung gerechnet, vielleicht mit einer leichten anfänglichen Distanz und abwartenden Haltung – aber das was mir nun entgegen gebracht wurde übertraf meine schönsten Vorstellungen.

Wie konnte ich jemals Bedenken äußern, dass ich nicht willkommen wäre? Wieso hatte ich vor dieser Begegnung so was wie Angst gehabt?

In der großen gemütlichen Wohnküche dauerte es nicht lange bis ich auf der Couch saß, von allen umringt, mit Süßigkeiten und Tee versorgt. Und es wurde geredet, geredet, geredet, mit Händen und Füßen, auf türkisch, englisch und deutsch – Verständigungsschwierigkeiten traten eigentlich nie auf, wenn jemand etwas nicht verstand, versuchten gleich alle anderen zu erklären.

Nun konnte ich auch meine Geschenke anbringen – ich war heilfroh, dass ich für jeden etwas dabei hatte.

Zuerst waren natürlich die Kinder dran, die beiden Älteren bekamen die Ü-Eier und der Kleine eine Tafel Kinderschokolade, natürlich hatte ich auch einige Spielsachen für jeden dabei. Der achtjährige Yaşa bekam Spielzeugautos, für die fünf-jährige Şeniz hatte ich eine Barbie-Puppe mitgebracht und der 1 1/2 jährige Şadi bekam eine Plüsch-Sonne als Spieluhr.

Für die sechs Erwachsenen hatte ich Belgische Pralinen und selbstgebackene Muffins mitgebracht. Dass die Muffins die lange Reise allerdings nicht ganz unbeschadet überstanden hatten und inzwischen etwas ramponiert aussahen, machte anscheinend überhaupt nichts.

Langsam kehrte auch ein wenig Ruhe ein – alle saßen entweder auf der Couch oder auf dem Boden, der kleine Şadi und Şeniz hatten sich mittlerweile zwischen die drei schlafenden Hunde gekuschelt und waren auch eingeschlafen, ihre Geschenke dabei fest umklammert (mein Fotoapparat streikte leider, so dass ich keine Bilder machen konnte) und Yaşa saß bei seiner Mama auf dem Schoß, auch ihm fielen immer wieder die Augen zu.

Erst jetzt merkte ich, wie müde ich selber war – es wurde langsam Zeit, dass ich auch eine Mütze voll Schlaf bekam.

Nachdem ich durch eine verwirrende Anzahl von Fluren und Räumen in mein Zimmer geführt wurde (das Haus musste riesig groß sein), fiel ich auch gleich auf’s Bett und schlief ein.

....

Fortsetzung folgt :wink:
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Miri
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Beitrag von Miri »

Uiiii, das liest sich soooo schön !!! Bin gespannt wies weiter geht!
Behutsam setze ich meine Schritte in ein unbekanntes Land und meine Spur wird Freundschaft sein. So fasse ich die Wunder mit dem Herzen und meine Seele erfüllt sich mit Glück
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Sarah
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Beitrag von Sarah »

ohh so schön, freue mich wenns weitergeht :wink:
Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!!!
Sanicik

Beitrag von Sanicik »

... es geht weiter:

Als ich (wohl nach etlichen Stunden) wieder aufwachte, hatte ich so ziemlich jedes Zeitgefühl verloren – aber eigentlich interessierte es mich auch absolut nicht, wie spät es war. Spontan fiel mir der Spruch ein „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde!“ – da war wirklich was dran ...

Ich sah mich in dem Zimmer um und mir wurde ziemlich schnell klar, dass es Ateş’s Zimmer war. Auf dem Schreibtisch stand sein Laptop und seine heißgeliebte Kamera - und überall standen Bilder von mir bzw. uns. Einige persönliche Sachen weckten traurig-schöne Erinnerungen ...

Eine Stiege führte zum Dach durch eine Luke. Ateş hatte mich im letzten Sommer unzählige Male von dort oben angerufen, nachdem sein Baba ihn aus dem Krankenhaus nach hause geholt hatte. Ich konnte einfach nicht anders, ich musste einfach auf’s Dach – schnell zog ich mir was über und kletterte nach oben.

Die Sonne schien, aber ein eisiger Wind pfiff mir um die Ohren, darum war es unangenehm kalt. Aber ich war einfach überwältigt. Ateş hatte mir immer vorgeschwärmt, wie schön es bei ihm zuhause ist – jetzt konnte ich es endlich wirklich mit eigenen Augen sehen und nachempfinden. In dem Moment wünschte ich mir nichts mehr, als dass mein Schatz bei mir wäre ...

Ich stand auf einer Dachterrasse, das Haus war wirklich komplett ebenerdig, wie ich es im Dunkeln schon vermutet hatte – aber sehr groß, anscheinend sind immer wieder, je nach Bedarf, einzelne Räume einfach angebaut worden. Es war alles sehr imponierend. Im Hof hinter dem Haus standen einige Autos. Obwohl ich wusste, dass Ateş’s Eltern recht wohlhabend sind, hatte ich diesen Wohlstand absolut nicht erwartet ...

Die Landschaft war ein Traum, es war nicht ebenerdig, aber auch nicht wirklich gebirgig, obwoh die Berge zum Greifen nah erschienen, vereinzelt standen Kiefern und Wacholder und alles war grün – und wieder bereute ich, mir keinen neuen Fotoapparat angeschafft zu haben. Nur von einem Dorf war weit und breit nichts zu sehen - das Haus stand komplett alleine.

Die drei Hunde lagen träge im Hof, etwas weiter weg standen ein paar Kühe und – ich traute meinen Augen kaum – Pferde. Hübsche kleine, drahtige Pferdchen mit zottigem Fell und langen Mähnen.

Wenn es nicht so kalt gewesen wäre und mir nicht ein verführerischer Essensduft in die Nase gestiegen wäre (mein Magen fing sofort an zu knurren), würde ich wohl immer noch wie hypnotisiert auf diesem Dach stehen ...

Also machte ich mich fertig, verließ das Zimmer – und wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Wo war ich nur hergekommen? Es war alles etwas verwinkelt und jede Ecke sah gleich aus. Ich hätte mich wahrscheinlich heillos verirrt, wenn ich nicht Stimmen gehört hätte, denen ich folgen konnte.

Und siehe da, ich kam wirklich in der Wohnküche an, in welcher richtig Betrieb herrschte – es war offensichtlich Essenszeit. Es duftete köstlich und er Tisch war beladen mit den schönsten Sachen.

Sobald Metin mich sah, sprang er auf und schob mir einen Stuhl zurecht. Ich wurde mit großem „Hallo“ von allen begrüßt, ob ich gut geschlafen hätte, ob es mir gut gehen würde, ob ich einen Wunsch hätte.

Bevor ich auch nur einen Wunsch äußern konnte stand schon ein Teller, beladen mit den schönsten Köstlichkeiten, vor mir.

Irgendwie hatte ich wohl den ganzen Tag verschlafen, es dämmerte nämlich schon wieder.

Gegen Abend setzten wir uns dann wieder alle zusammen und besprachen, was in der Woche alles unternommen werden sollte, bzw. wie mein Aufenthalt so abwechslungsreich wie möglich gestaltet werden könnte. Anscheinend hatten sich alle vorgenommen, mich eine unvergessliche Woche erleben zu lassen ...

Dienstag - 21. Februar

Wir hatten schon Dienstag und am Sonntag würde ich schon wieder abreisen – die Zeit schien zu rasen.

Nachdem wir ausgiebig gefrühstückt hatten, wollten Baba, Anne und ich zum Friedhof. Am vorherigen Abend hatten wir viel über Ateş, sein Leben und seinen Tod gesprochen. Es war ein sehr emotionsgeladenes Gespräch gewesen, diese Menschen haben eine andere Einstellung zum Leben und zum Tod ... obwohl die Trauer sehr groß ist - gerade weil Ateş noch so jung war – empfinden sie den Tod nicht als schlimm, er gehört nun mal unausweichlich zum Leben dazu und so wird er hingenommen. Sie gehen davon aus, dass der Verstorbene seine Aufgabe auf der Erde erfüllt hat und nach seinem Tod neue Aufgaben auf ihn zukommen.

Im Haus war mir sofort aufgefallen, dass viel an Ateş erinnert. An Bildern waren Blumen oder Schmuckstücke angebracht. In der Wohnküche stand sogar so etwas wie ein kleiner Altar mit Bildern, Räucherwerk und Kerzen. Andererseits sind fast alle seine Sachen verschenkt worden – mir wurde erklärt, dass er dadurch für immer weiterleben würde, da er nicht in Vergessenheit gerät.

Und noch etwas hat mich sehr verwundert: es wird sehr still getrauert – offensichtlich ist lautes Klagen und Trauern verpönt.

Endlich fuhren wir zum Friedhof und ich durfte von Ateş Abschied nehmen – mit ein wenig gemischten Gefühlen trat ich an sein Grab, Baba und Anne dicht neben mir. Ein Grabstein war noch nicht vorhanden, diese werden erst nach einem Jahr aufgestellt, nämlich einer am Kopfende und einer am Fußende – das Grab bestand bisher also nur aus einem Erdhügel. Während Anne einen Holzspan ansteckte und in einer Halterung abbrennen ließ, sprach Baba leise zu mir. Er fragte, ob ich wüsste, was der Name Ateş bedeutet, als ich bejahte, deutete er auf den brennenden Holzspan und sagte: „Sein inneres Feuer wird ewig brennen, solange er ein Platz in Deinem Herzen hat!“

Wir verbrachten zu dritt in stillem Einvernehmen recht lange auf dem Friedhof mit stillen Gebeten – eigentlich jeder für sich und doch irgendwie sehr eng miteinander verbunden. Diese Stille und das offensichtlich gegenseitige Verstehen waren unbeschreiblich ...

Mit dieser Ruhe fuhren wir schließlich auch wieder nach hause ...

Nachdem wir uns alle ein wenig ausgeruht hatten, verbrachte die gesamte Familie den Abend gemeinsam.

Es wurde Backgammon gespielt (ein Spiel, dass ich wohl nie begreifen werde :oops: ), die obligatorische Wasserpfeife wurde angezündet und es wurde zwischendurch immer wieder leise gesungen, wobei Baba dazu auf der Zyrna spielte.

Obwohl alle bis auf Baba am nächsten Morgen relativ früh zur Arbeit (bzw. die beiden älteren Kinder zur Schule) mussten, saßen wir alle bis weit nach Mitternacht zusammen, bis auch dieser – für mich – ungewöhnliche Tag zuende war.

Mich überfiel eine große Traurigkeit, wenn ich daran dachte, dass ich in vier Tagen schon wieder abreisen musste ...

...

ich arbeite an der Fortsetzung :wink:
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Miri
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Beitrag von Miri »

Jetzt wären bei mir fast ein paar Tränchen geflossen...

Du schreibst sooo schön, das hört sich an wie eine Geschichte aus 1001 Nacht :love5
Behutsam setze ich meine Schritte in ein unbekanntes Land und meine Spur wird Freundschaft sein. So fasse ich die Wunder mit dem Herzen und meine Seele erfüllt sich mit Glück
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Beitrag von Daniela »

Sandra, Du schreibst das alles soooo schön, ich sehe vieles fast bildlich vor mir, dass ich die Foto`s nicht sonderlich vermissen werde...

Vielen Dank für diese schöne Geschichte! :knuddel
Sanicik

Beitrag von Sanicik »

@Miri:
Ja, Du hast Recht, es kam mir wirklich manchmal vor wie in 1001 Nacht, ich hatte manchmal das Gefühl, als ob die Zeit stehen geblieben wäre ...

Hier geht es weiter .... :wink:

Mittwoch - 22. Februar

Heute hatte Baba eine ganz besondere Überraschung für mich geplant: er wollte mir die Gegend ein bisschen zeigen – vom Rücken der Pferde aus! Ich freute mich schon riesig und war am Morgen dementsprechend aufgeregt.

Baba und ich standen recht früh auf und frühstückten gemeinsam – der Rest der Familie war schon unterwegs.

Wir packten uns einige Köstlichkeiten und Getränke für unterwegs in die Satteltaschen, zogen uns warm an, schnappten uns die Sättel und das Zaumzeug und gingen zu den Pferden. Die drei Hunde sprangen erwartungsvoll um uns herum – sie kamen natürlich mit!

Die kleine Herde von fünf Pferden schaute uns aufmerksam entgegen, als wir auf sie zugingen. Trotz dem zottigen Winterfell, dass sie immer noch hatten, war nicht zu übersehen, dass es sich hier offensichtlich um Karacabeyer handelte. An den feinen Köpfen konnte man den Araber-Einschlag erkennen ... Baba bestätigte mir dann auch, dass meine Vermutung richtig war.

Und wieder war ich überrascht – echte Karacabeyer in der türkischen „Pampa“ (na ja, wenn nicht da, wo auch sonst?)...

Das Satteln und Aufzäumen übernahm Baba für mich, die türkische Reitweise war mir absolut nicht geläufig und ich konnte schon mit den ganzen „Strippen“ und Gurten an Sattel und Zaumzeug nichts anfangen.

Kaum saßen wir in den Sätteln, ging es auch schon in einem rasanten Tempo los. Sobald wir durch das Tor waren, liefen die flinken Pferdchen los – sie waren anscheinend nur schnelle Gangarten gewohnt und ich hatte anfangs schon einige Mühe, mich ihrem Tempo anzupassen. Nachdem ich mir aber bei Baba abgeguckt hatte, dass dieser absolut entspannt auf seinem Pferd saß – er hatte noch nicht einmal die Zügel in der Hand -, leicht zurückgelehnt und ohne Steigbügel, machte ich es ihm nach und siehe da – alles lief wie am Schnürchen, ungewohnt aber richtig gut.

Jetzt konnte ich auch unseren Ritt genießen. Die Hunde hechelten neben uns her, die Landschaft kam mir manchmal unwirklich und unberührt vor. Reitwege wie bei uns gab es natürlich nicht. Die Pferde suchten sich ihren Weg, manchmal kletterten sie wie die Bergziegen über Geröll und Felsen – einfach traumhaft schön! Zeitweise ritten wir am Kizilirmak entlang, und irgendwann kamen wir auch zu einem kleinen Dorf.

Baba war hier bekannt, so dass wir sofort auf einen Tee eingeladen wurden. Anscheinend wusste man auch hier schon, wer ich war und so wurde ich mit sehr großer Herzlichkeit willkommen geheißen.

Nachdem der heiße Tee uns richtig schön aufgewärmt hatte, ging es weiter – einfach der Pferdenase nach, so erschien es mir zumindest. Die Orientierung hatte ich total verloren – ich hätte nie wieder nach hause gefunden ....

Nachdem wir am frühen Nachmittag eine Pause einlegten, in der wir unsere „Verpflegung“ eliminierten, ging es wieder nach hause.

Erst als wir gegen 16.00 Uhr wieder zuhause waren und die Pferde zum Stehen kamen, merkte ich, dass mir jeder einzelne Knochen weh tat. Wir hatten fast ohne nennenswerte Unterbrechungen über 7 Stunden auf den Pferderücken verbracht.

Und obwohl ich mich nur noch humpelnderweise vorwärts bewegen konnte, war es ein gelungener Tag gewesen.

Ich musste später immer wieder Baba beobachten, der mit seinen fast 80 Jahren wie ein junger Gott durch die Gegend sprang, als ob er nicht dieselben Strapazen hinter sich hatte wie ich – aber ich tröstete mich damit, dass er wahrscheinlich öfter mit den Pferden unterwegs war und derartiges gewohnt war, im Gegensatz zu mir.

Den späten Nachmittag und den Abend verbrachten wir wieder alle gemeinsam zuhause, es wurde zusammen gekocht und gegessen und der Familienzusammenhalt überraschte mich wieder auf´s Neue. Es war so schön zu sehen, wie alle liebevoll und voller Respekt miteinander umgingen. Und obwohl offensichtlich auch viel an alten Traditionen festgehalten wurde und sie alle streng gläubige Moslems waren, war diese Familie sehr fortschrittlich, tolerant und modern eingestellt – ebenfalls wieder eine Überraschung, obwohl Ateş mir oft erzählt hatte, dass seine Familie genau so war, wie ich sie jetzt erlebte ...

Aber man hört ja nun mal immer wieder, dass das Leben auf den kleinen türkischen Dörfern eben nicht so fortschrittlich und modern wie in den Großstädten war und an diesem Tag hatte ich mich auch davon überzeugen können, dass es wirklich so ist, als wir in dem Dorf waren.

Da ich den ganzen Tag mit Baba zusammen gewesen war und wir wirklich über „Gott und die Welt“ geredet hatten, nahm ich mir irgendwann ein Herz und fragte ihn, wie es kam, dass ihre Einstellungen so ganz anders waren als die der übrigen Dorfbewohner.

Er antwortete bereitwillig und so erfuhr ich, dass Ateş’s Familie ursprünglich aus Istanbul kam und das jetzige Haus ursprünglich nur als „Urlaubsresidenz“ genutzt wurde. Erst als Baba vor knapp 20 Jahren aufhörte zu arbeiten, zog die gesamte Familie aus Istanbul weg und lebte seitdem dort, wobei der Kontakt in die Großstadt aber immer aufrecht gehalten wurde – das erklärte vielleicht nicht alles, aber doch eine ganze Menge ...

An diesem Abend fiel ich völlig zerschlagen schon recht früh ins Bett, zumal wir am nächsten Tag wieder relativ früh aufstehen würden – wir wollten alle gemeinsam nach Kirşehir fahren und den Tag dort verbringen. Für diesen Tag hatten sich alle frei genommen und so würde ich den ganzen Tag die gesamte Familie um mich haben, worauf ich mich sehr freute.

...


so, ich weiß nicht, ob ich heute noch mehr schreiben kann, wahrscheinlich geht's erst morgen weiter :wink:
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Beitrag von shiny13 »

hallo atesandra,

deine geschichte ist überwältigend.
man lacht mit, man weint mit und man kann diese gefühle richtig gut nachempfinden, die herzlichkeit der familie, die landschaft,....
du schreibst wirklich sehr gut.

ich bin schon sehr gespannt wie deine woche zu ende ging.

lg,
dany :D
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Beitrag von Canan1987 »

Hallo Sandra!

Du schreibst das so schön...es ist als ob ich es alles genau vor mir sehe und miterlebe.
Ich hatte echt Tränen in den Augen und ich denke das werden nicht die letzten Tränen gewesen sein, wenn ich nur an den Abschied denke...
Ich freue mich schon auf die restlichen Tage!

Liebe Grüße
Nancy
me79

Beitrag von me79 »

hallo sandra,

du schreibst dass es mir eine gänsehaut aufzieht... ich kann alles vor mir sehen und fühle mit dir mit.
ich freu mich jedenfalls sehr, dass die woche so wertvoll für dich verlaufen ist.

lg, jasmine
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Beitrag von lean »

Hallo Sandra

Vielen Dank für diesen schönen Reisebericht, ich kann mich den anderen nur anschließen und dir sagen das es ganz toll geschrieben ist.
Die dunkle Begegnung mit den drei „Hundebabys“, die mich neugierig machten.
Die herzliche Begrüßung von Baba und dem Rest der Familie, bei der mir die Tränen in die Augen schießen.
Oder der Ausflug mit den Pferden, der mich schmunzeln ließ.
Wirklich schön, ich möchte mehr lesen.


Ich freu mich das es dir offensichtlich sehr gut getan hat, man spürt es förmlich beim lesen deines Reiseberichtes.
Du hattest solche bedenken hinsichtlich der Reise, deshalb freu ich mich das du so freundlich von der Familie aufgenommen wurdest.

Liebe Grüße lean
Trösten ist eine Kunst des Herzens.
Sie besteht oft nur darin, liebevoll zu schweigen und schweigend mitzuleiden.
Otto von Leixner
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Beitrag von Terazi »

Dorit hat geschrieben:Hallo Sandra,
es freut mich, dass Du so eine schöne Woche erlebt hast.
Vielen Dank für diesen sehr gut geschriebenen Reisebericht.
Du schreibst so toll, dass man fast meint dabei gewesen zu sein.
Bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.
Liebe Grüße
Dorit

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Beitrag von Terazi »

Seytan25 hat geschrieben:Oh Sandra bin ich froh das ich es heute nicht auf Arbeit heimlich gelesen habe sondern zuhause schön gemütlich. Ich hätte meine Kunden nicht mehr bedienen können. Ich habe bis jetzt viel mit dir gelacht und auch ein 2 Tränchen sind gekullert. Wieso Fotos? Ich sehe alles bildlich wie du es beschreibst.

Ich bin sehr froh das ich morgen frei habe und hoffentlcih weiter lesen kann.

Ich freue mich das es dir gut getan hat und du so herzlich aufgenommen wurdest. Deine 3 Hundebabys würde ich nur zu gerne sehen.

Liebe Grüße Betti

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Beitrag von Terazi »

Wolkenlos hat geschrieben:Hallo Sandra!

Deine Geschichte hat mich bis jetzt total gefangen. Ich hab sie gelesen wie wenn ich ein Buch vor mir hätte. Bin schon gespannt wie deine Geschichte weitergeht.
Da sind wirklich sehr viele Gefühle dabei. Und auch ich hab so wie die anderen auch richtig mitgelebt was ich bisher las.
Das war sicher ein ganz unvergesslicher Urlaub für dich.

Freu mich schon auf den Rest.

lg

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Beitrag von Terazi »

forganna hat geschrieben:Hallo Sandra,

gerade hab ich deinen Reisebericht mit sehr großer Freude gelesen und kann es kaum erwarten, wie es weiter geht...Ich freue mich sehr auf deine Fortsetzung!!!

Öptüm
Ella

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Beitrag von Terazi »

Atesandra hat geschrieben:Hallo Ihr Lieben

es freut mich, dass meine "Abenteuer" Euch gefallen, es geht auch schon weiter:

Donnerstag, 23. Februar

An diesem Morgen standen wir alle sehr früh auf, wobei ich mich vor Muskelkater kaum bewegen konnte – das legte sich aber glücklicherweise im Laufe des Tages.

Es herrschte allgemeine Aufregung und es war dann doch schon gegen zehn Uhr, bis wir alle gefrühstückt hatten, die ersten anfallenden Hausarbeiten erledigt waren und wir endlich alle, auf zwei Autos verteilt, losfuhren – wir waren ja immerhin sieben Erwachsene und drei Kinder.

Auf nach Kırşehir! Wir hatten viel Spaß auf der Fahrt, haben viel gelacht und ich erfuhr schon recht viel über Kırşehir, bevor wir überhaupt angekommen waren.

Abgesehen davon war die Fahrt auch sehr abenteuerlich – über die türkische Fahrweise brauch ich wohl nicht viel erzählen ... es kam also hin und wieder auch vor, dass ich einfach die Augen zu machte, die Luft anhielt und einfach betete und hoffte, dass ich Kırşehir noch zu sehen bekam ... aber wir sind dann doch noch angekommen.

Kırşehir liegt ca. 140 km südöstlich von Ankara und hat ca. 88.000 Einwohner. Es ist eine sehr alte Stadt und ihre Anfänge reichen wohl zurück bis zu den Hethitern, wie die Stadt damals hieß, ist aber wohl nicht bekannt. Zur Zeit der Römer hieß sie auf jeden Fall „Macissus“ und nach dem Wiederaufbau hieß sie während der byzantinischen Herrschaft „Justinianopolis“. Erst mit der Herrschaft der Türkischen Stämme erhielt sie wegen der Lage in der kargen Steppe den Namen „Kir Sehri“ (Steppenstadt), was dann später zu Kırşehir wurde.

In Kırşehir gilt die Bevölkerung als sehr tolerant, dort leben Aleviten und Sunniten friedlich nebeneinander, den größten Teil der Einwohner machen Turkmenen und Türken aus und während der Erntezeit arbeiten viele kurdische Erntehelfer in der Region.

Ich hoffe, ich habe Euch mit meinem kleinen geschichtlichen Abriss nicht zu sehr gelangweilt, aber so was interessiert mich eigentlich auch immer, wenn ich in einer unbekannten Gegend bin und vor allen Dingen brachte Metin alles so schön anschaulich (natürlich alles während der Autofahrt – er fuhr... :shock: ) rüber, dass ich auch den größten Teil behalten habe.

In Kırşehir habe ich sehr viel gesehen, unter anderem natürlich die Karawanserei von Kesikköprü, die Burgruinen von Keçi und Ömerhacılı, die Moscheen von Kale und Alaeddin, die Moschee und Türbe von Ahi Evran, die Mausoleen von Kara-kurt Baba, Melik Gazi und Âşık Pascha.

Bei dem Museum habe ich dann doch gestreikt, ich konnte einfach nicht mehr nach diesem Programm. Aber die Eindrücke waren einfach überwältigend, zumal Metin und Baba alles erklärten und auch die eine oder andere Geschichte erzählten.

Am frühen Nachmittag fanden wir uns also alle in einem Café wieder – wobei mir auffiel, dass dieses Café außer uns keine anderen Gäste hatte, ich dachte mir aber nichts weiter dabei.

Es viel mir aber auch auf, dass plötzlich eine Spannung in der Luft lag, ich bemerkte des öfteren, wie Anne und Baba miteinander tuschelten. Aylin und Metin verschwanden eine Weile und merkwürdigerweise wurden die Kinder von mir fern gehalten. Ich fing an nachzudenken, ob ich irgendetwas gesagt oder getan hatte, was der Familie missfallen haben könnte – obwohl ich gar nicht den Eindruck hatte, als ob es eine aggressive Spannung war, die sich ausbreitete ... ich traute mich aber auch nicht, jemanden zu fragen.

Auch der Wirt lief plötzlich wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend und ich verstand nur noch Bahnhof, wurde immer unsicherer und wollte gerade auf Metin zugehen als die Eingangstür aufgerissen wurde ...

...

Ich muß leider jetzt erstmal ein wenig arbeiten, aber es geht bestimmt gleich weiter :wink:

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Beitrag von Terazi »

Janett hat geschrieben:...boah, ist das gemein... :wink: erst die spannung zum höhepunkt treiben und dann abhauen ... :wink:

lass uns nicht zu lange warten

LG Janett

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Beitrag von Terazi »

Seytan25 hat geschrieben:Hey Sandra,

das ist ungercht, schreeibe weiter, Arbeit ist unwichtig. Echt gemein. Ich will weiter lesen und zwar JETZT!!!!!!!!!!

Liebe Grüße Betti

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Beitrag von Terazi »

Atesandra hat geschrieben:Na gut, es geht weiter:

Ich traute meinen Augen nicht - es kam eine Menschenmenge herein – Männer, Frauen und Kinder, Alte und Junge und alle wurden mit einem großen „Hallo“ begrüßt.

Nach und nach erkannte ich einige, es waren alles Freunde und Bekannte von Ateş aus Antalya, Belek, Side und der näheren Umgebung der Riviera.

Was für eine Überraschung – ich hätte niemals gedacht, dass ich diese Menschen noch einmal wiedersehen würde. Aber Ateş hat mir immer gesagt: Man sieht sich immer zweimal im Leben! Wie wahr!

Der Gastraum füllte sich zusehends mit Menschen - ich verlor absolut den Überblick, wurde nur noch in den Arm genommen und gedrückt, Tränen liefen und gleichzeitig wurde gelacht, alle redeten durcheinander – und ich verstand mal wieder kaum ein Wort, was dem Ganzen aber keinen Abbruch tat.

Irgendwann wurde die Tür zum Nebenraum geöffnet und ein unglaubliches Buffet mit den schönsten Köstlichkeiten kam zum Vorschein. Aber was sollte das alles? Es war doch kein Feiertag – oder hatte ich an irgendeinen Feiertag nicht gedacht? Ich wusste, dass Geburtstage in Ateş’s Familie nicht gefeiert wurden, Namenstag vielleicht? Ich war überfragt und ratlos – irgendwann hörte ich einfach auf, mir Gedanken zu machen und genoss das Beisammensein.

Als sich alle am Buffet bedient hatten und etwas Ruhe eingekehrt war, stand Baba auf ... oh man, jetzt kam auch noch eine Rede. Ich hatte offensichtlich wirklich irgendwas vergessen.

Baba fing an zu reden und es wurde mucksmäuschenstill – dieser große alte Mann war schon imponierend, wie er kerzengrade dort stand und mit ruhiger Stimme sprach.

Obwohl er sehr langsam und deutlich sprach, hatte ich Probleme seinen Worten zu folgen – mein türkisches Vokabular weist doch große Lücken auf. Aber Metin saß neben mir und versuchte, viel zu übersetzen.

Er sprach über Ateş, wie ausgefüllt und glücklich sein Leben gewesen war, wie einzigartig gütig und herzlich er war, er hatte das Leben geliebt und hat in jedem Ereignis etwas Positives gesehen ... Die ersten leisen Schluchzer an den Tischen waren zu hören, die Tränen flossen – nicht nur bei mir.

Plötzlich nahmen die Zwillinge Aylin und Metin mich an den Händen und gingen mit mir zu Baba – was war jetzt? Die letzten Worte von Baba hatte ich nicht mehr richtig verfolgt, zu viele Erinnerungen waren auf mich eingestürmt ...

Anne stand jetzt neben Baba und sie nahmen mich zu zweit in Empfang – meine Verwirrung steigerte sich immer mehr. Baba fing jetzt an deutsch zu reden, seine Worte werde ich wohl nie vergessen: „Wir haben unseren geliebten Sohn aus dem Leben entlassen müssen, aber er hat uns vor seinem Tod einen Menschen näher gebracht, der es wert ist, in unsere Familie aufgenommen zu werden. Seine letzten Worte galten Dir, er wollte Dir die Welt zu Füßen legen. Unseren Sohn mussten wir gehen lassen – er wird immer in unseren Herzen weiterleben; aber Dich haben wir nun als Tochter zu unserer Familie hinzu gewonnen!“

Dann drehte er sich wieder allen zu und rief in den Saal: „Lasst uns die Ankunft unserer Tochter feiern!“

Während ich noch sprachlos zwischen Baba, Anne, Aylin und Metin stand, setzte Musik ein, spontan wurden Tische beiseite geschoben und die ersten fingen an zu tanzen. Was sollte ich bloß sagen? Das war eine Überraschung, die ich niemals erwartet hätte. Was hatte ich nur getan, dass mir soviel Liebe entgegen gebracht wurde? War es nur ein Traum? Nein, es war kein Traum, ich merkte, dass es Wirklichkeit war, als Baba mich zum Tanzen aufforderte (der Muskelkater machte sich wieder bemerkbar).

...

das muß jetzt erstmal wieder reichen :wink: Ich bemühe mich, schnell weiterzuschreiben - aber ich will ja auch nichts vergessen.

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Beitrag von Terazi »

Seytan25 hat geschrieben:Oh danke Sandra das du so schnell weiter geschrieben hast. Ich hätte zu gern dein Gesicht gesehen als du auf einmal nach oben musstest und als der Saal aufging. Wahnsinn, das war eine wirklich tolle Überraschung gewesen.

Schön das du nun ncoh eine Familie hast.

Liebe Grüße Betti die jetzt nicht drängelt sondern brav wartet bis es weiter geht

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Beitrag von Terazi »

Daniela hat geschrieben:Ach neeee, jetzt steigen mir im Büro echt die Trännen ind die Augen und ein unglaubliches Schaudern lief mir über den Rücken....

Da glaube ich Dir echt, dass Du Dir wie im Film vorkamst, uiiii,
das ist alles soooo schön und ich mag Dir das einfach nur von Herzen gönnen!!!! Wenns jemand verdient hatm, dann DU!!!

öptüm und Danke für die schöne Geschichte,
Daniela

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Beitrag von Terazi »

Andrea hat geschrieben:"Sei nicht ohne Liebe, damit du nicht ohne Leben bist.
Stirb in der Liebe, damit du am Leben bleibst!" Rumi


Liebe Sandra,
wie wunderbar ist dieser rührende Bericht. Ich freue mich sehr für dich, dass du diese Zuneigung erlebst.
Fortsetzung folgt :wink: ...

LG aus HH

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