Mevlüt – Erlebnisbericht

Sitten und Gebräuche sowie Erfahrungen im Umgang mit den Menschen in der Türkei.
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Collafish
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Mevlüt – Erlebnisbericht

Beitrag von Collafish »

Hi, Ihr Lieben!

Gestern hatte ich das Glück, bei einer türkischen Freundin zu einem, wie sie es nannte, "Kinder-Mevlüt" eingeladen zu sein.

Es versammelten sich dort 26 Frauen aus unserem Stadtteil und weiterer Umgebung, von denen ich eine war.
Ich wurde teils sehr herzlich und teils sehr skeptisch (und alles, was es in dieser Skala dazwischen noch so gibt) willkommen geheißen, wurde von meiner Freundin und vor allem ihrer Oma wie ein Ehrengast behandelt und setzte mich brav neben die Oma, die sich total freute (sie kannte mich schon von Sylvester), mich bei sich zu haben.

Sie erzählte allen, ich sei ihre Schwiegertochter und bei jedem türkischen Wort, was ich über die Lippen brachte, brach sie in Begeisterungsstürme aus und erzählte allen, was ich gerade gesagt habe!
Okay, ich saß also "brav" und erwartungsvoll neben ihr, bis es endlich los ging. Zunächst las eine Frau (ich nehme an, eine ortsansässige Imamim) eine Sure aus dem Koran vor, was mir schon eine Gänsehaut verursachte.
Dann fing sie an, Verse des Korans zu singen. Sie hatte eine solche Inbrunst und eine so unglaubliche Stimme, daß ich fast in eine Art Trance fiel. Dann wechselten die Sängerinnen unter den Frauen ab.
Nicht alle konnten es so schön und intensiv wie sie, aber es war trotzdem sehr berührend für mich. Nach und nach fing eine nach der anderen an zu weinen, und obwohl ich derzeit noch garnicht genau wußte, wozu dieses Zeremoniell abgehalten wird, konnte ich die Stimmung und Ergriffenheit beinahe mit Händen spüren und hätte auch fast angefangen zu weinen!

Nach ca. 1 Stunde war dieser Teil des Zeremoniells vorbei, und die Imamim fragte mich, wie gut mein Türkisch sei. Ich antwortete ihr, daß es noch nicht gut sei und ich höchstens mal ein paar Worte verstehen würde.
Sie erklärte mir, daß sie jetzt den Frauen auf türkisch vom Koran erzählen würde. (Fand ich nett von ihr)
Nach ca. 10 Minuten merkte ich, daß ich fürs erste genug Körpersprache studiert hatte, ohne wirklich etwas zu verstehen und entschloß mich, nach meiner Tochter und all den anderen Kids zu schauen, da sowieso grad noch eine Frau dazu kam und definitiv kein Platz mehr in dem winzigen Wohnzimmer war.

Es dauerte dann noch eine ganze Weile, bis sie fertig war, und dann fingen die Frauen nacheinander (aus Platzmangel) an, zu beten.

Währenddessen war in der Küche schon großes Gedrängel und Gewusel, weil jede nach ihrem Gebet einen vollen Teller zu Essen haben sollte. Ich glaube, es war wirklich ein ganzes Lamm im Backofen und haufenweise Beilagen dazu natürlich auch. Dann noch selbstgebackenes Brot, ähnlich wie ein Hefezopf und natürlich Baklava.

Anschließend gab es noch Cay, aber da ich merkte, daß meine Gastgeberin in wirklicher Panik war, weil es wohl doch ein wenig viel Gäste für ihre kleine Wohnung waren und die Kinder immer unruhiger wurden, hab ich mich vorher verabschiedet.

Natürlich nicht, ohne mich herzlich bei ihr zu bedanken, daß ich dabei sein durfte, denn dieses Erlebnis hatte mich wirklich tief im Herzen berührt:

Ich selbst bin katholische Christin, aber ich habe schon immer das "Inschallah" des Islam geliebt! Lange hat es mir gefehlt, nach diesem Nachmittag hatte ich es wieder – und es hat mir unglaublich gut getan!

Seit ich dort weggegangen bin, war in mir eine ganz tiefe, nie so zuvor gespürte Dankbarkeit. Als ich am Abend hier im Forum war, erklärte Yasar mir, daß dies tatsächlich ein Zeremoniell der Danksagung ist..... (die Einladung kam so spontan und als ich da war, waren alle schon so "involviert", daß ich keine Zeit hatte, genauer nachzufragen. Ich wußte nur, daß es "für das Baby" sein sollte!)

Als ich heute morgen aufwachte und mir Kaffée machte, war ich total bei mir, wie schon seit langem nicht mehr. Es ging mir von Stunde zu Stunde besser und ich fühle eine Zuversicht und Dankbarkeit in mir, es ist unglaublich!
Inschallah!

LG,
Cordula
Love asks me no questions, and gives me endless support.
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