Ilhan Selcuk, Chefredakteur der stramm kemalistischen Tageszeitung „Cumhuriyet“, war mutmaßlich der ideologische Kopf der Bande. Er war schon 1971 an einem gescheiterten Putschversuch beteiligt gewesen, der die Türkei aus dem Westen herauslösen und aus dem Land einen unabhängigen Drittweltstaat machen wollte. Als sein Vertreter bei „Ergenekon“ gilt der frühere Rektor der Universität Istanbul, Alemdaroglu. Der ehemalige Maoistenführer Perincek verwirklichte Ideen der beiden Vordenker organisatorisch. Dieser innere Kreis der Angeklagten muss mit jeweils mehrfachen lebenslangen Haftstrafen rechnen.
Die früheren Generäle Eruygur und Tolon werden an diesem Montag noch nicht dem Richter vorgeführt. Eruygur war nach seiner Pensionierung 2004 Vorsitzender des „Vereins für das Denken Atatürks“ (ADD). Aus dieser Position organisierte er im April und Mai 2007 die „Massenkundgebungen“ gegen die Regierung Erdogan. Zur selben Zeit wurde bekannt, dass Eruygur im Jahr seiner Pensionierung zwei erfolglose Anläufe zu einem Militärputsch unternommen hatte.
Der Vorsitzende der Handelskammer Ankara, Sinan Aygün, rief bei seiner Verhaftung im Frühjahr aus, er werde nur seiner Liebe zu Atatürk wegen verhaftet. Er sollte Regierungschef der „Ergenekon“-Junta werden, die die Demokratie aufheben und sich von Europa abwenden wollte. Möglicherweise hätte sie sich Russland zugewendet. In kemalistischen Kreisen besteht durchaus Sympathie für die Bande, der zugetraut wurde, die AKP zu entmachten und zu stürzen.
Terror zum Schutze des Staates
Ergenekon ist die Spitze eines Eisbergs, den die Türken den „tiefen Staat“ nennen. Zum „tiefen Staat“ werden jene gerechnet, die behaupten, der türkische Staat müsse mit außergerichtlichen Methoden und illegalen Mitten wie der Liquidierung von Oppositionellen geschützt werden. Die Wurzeln dieses Denkens reichen zu den Jungtürken Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Sie hatten „Sonderorganisationen“ (Teskilat-i mahsusa) gegründet, die sie zur Beseitigung von Anhängern des Sultans und 1915 bei den Deportationen der Armenier einsetzten, welche in einem Völkermord endeten. Die „Sonderorganisationen“ wurden 1923 bei der Gründung der Republik Teil des Geheimdienstes MIT.
Quelle:Faz.net
Erstmals in der türkischen Geschichte werden pensionierte Generäle angeklagt, wegen Umsturz an der Reg.
Es wäre für die islamistische AKP besser , wenn sie nicht permanent auf ihrem religiösen Trip wäre, anstatt dies zu beherzigen , tut sie genau daß Gegenteil, nämlich weiter polarisieren.
Und auch ist zu beobachten, das die Kemalisten, die jahrelang über den türkischen Staat geherrscht haben, langsam die Macht an eine neue konservative anatolische aufstrebende Mittelschicht abgeben müssen.